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BGH: I ZR 30/16: Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke

Der I. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss I ZR 30/16 Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke vom 2. März 2017 mit Wortmarken und Ihrer Eignung zur Beschreibung und Verwechslungsgefahr auseinandergesetzt. Er hielt hierzu fest:

a) Für die Beurteilung, ob eine Wortmarke oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung der Markeninhaber dem Markenwort beimessen will. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht des angesprochenen Verkehrs.
b) Eine Verwechslungsgefahr kann ausnahmsweise trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne weiteres erkennbaren eindeutigen abweichenden Begriffsinhalts der Zeichen zu verneinen sein. Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht hierfür jedoch nicht aus.

 

Die Historie:

Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz für die beim Deutschen Patent- und Markenamt am 8. April 2003 für „Dienstleistungen eines Apothekers, nämlich Beratungen in der Pharmazie“ eingetragene deutsche Wortmarke Nr. 30200734 „Medicon-Apotheke“ und die am 19. Juli 2010 für „medizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Apothekers, Beratung in der Pharmazie“ eingetragene deutsche Wort-Bild-Marke Nr. 302009051781.

Die Beklagte betreibt eine Apotheke in P. unter der Bezeichnung „MediCo Apotheke“ und unterhält unter der Domain „medico-apotheke-p. “ einen Internetauftritt, in dem sie die Bezeichnung „MediCo Apotheke“ verwendet. Nach ihrer Behauptung betreibt sie die Apotheke bereits seit dem Jahr 2011 auf dem Gelände des B. in dem dort befindlichen Gesundheitszentrum „MediCo“.

Die Klägerin sieht in der Verwendung der Bezeichnung „MediCo Apotheke“ eine Verletzung der ihr lizenzierten Marken unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Bezeichnung „MediCo-Apotheke“ für den Betrieb einer Apotheke sowie das Angebot von Dienstleistungen eines Apothekers zu benutzen, insbesondere unter der Bezeichnung eine Apotheke zu betreiben, Dienstleistungen eines Apothekers anzubieten oder unter dieser Bezeichnung für Dienstleistungen einer Apotheke zu werben. Den Anspruch hat sie in erster Linie auf die Wortmarke und in zweiter Linie auf die Wort-Bild-Marke gestützt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

 

Aus den Gründen:

Nachfolgend werden die Aspekte der Entscheidung, die Verkehrsauffassung und die Verwechslungsgefahr betreffend, skizziert. Die weiteren Umstände und Entscheidungsgründe treten dabei in den Hintergrund.

Der I. Senat des BGH stellte zunächst fest, dass bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke auf den Gesamteindruck des Zeichens abzustellen sei. Der Verkehr neige in der Regel nicht zu einer zergliedernden und analysierenden Betrachtung eines Zeichens ( BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – I ZR 223/01 , GRUR 2004, 783, 784 f. = WRP 2004, 1043 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRALEX).

Das Berufungsgericht habe zutreffende angenommen, dass der Wortbestandteil „Apotheke“ als rein beschreibend und damit als nicht kennzeichnungskräftig anzusehen sei. Das Berufungsgericht sei weiter zutreffend davon ausgegangen, dass das Kunstwort „Medicon“ der deutschen Sprache fremd sei. Seine Annahme, der Verkehr fasse die Bezeichnung „Medicon“ ohne Weiteres als Kombination der Wortbestandteile „medi“ und „con“ auf, widerspreche jedoch dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr in der Regel nicht zu einer zergliedernden und analysierenden Betrachtung eines Zeichens neige.

Das Berufungsgericht hatte seine Beurteilung der Verkehrsauffassung damit begründet, dass nach dem Vortrag der Klägerin die Markeninhaberin ein innovatives Konzept für den Betrieb von Apotheken entwickelt habe, in dessen Mittelpunkt eine qualitativ hochwertige Beratung und die Beratung zu Präparaten stehe, die auf natürliche Weise die eigenen Körperfunktionen unterstützten. Der I. Senat führte jedoch aus, dass für die Beurteilung, ob eine Wortmarke oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschrieben würden, es jedoch nicht darauf ankäme, welche Bedeutung der Markeninhaber dem Markenwort beimessen wolle. Maßgeblich sei vielmehr die Sicht des angesprochenen Verkehrs.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen sei nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken könnten. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reiche in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus; es genüge daher, wenn die Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich seien (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 – I ZR 162/05 , GRUR 2008, 803 Rn. 21 = WRP 2008, 1192 – HEITEC; Urteil vom 20. Januar 2011 – I ZR 31/09 , GRUR 2011, 824 Rn. 26 = WRP 2011, 1157 – Kappa; BGH, GRUR 2014, 382 Rn. 25 [BGH 22.01.2014 – I ZR 71/12] – REAL-Chips; GRUR 2015, 1004 Rn. 22 [BGH 05.03.2015 – I ZR 161/13] – IPS/ISP).

Allerdings könne eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukomme ( EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – C-16/06 , Slg. 2008, I-10053GRUR Int. 2009, 397 Rn. 98 – OBELIX/MOBILIX; BGH, Urteil vom 28. August 2003 – I ZR 293/00 , GRUR 2003, 1047, 1049 = WRP 2003, 1439 – Kellogg’s/ Kelly’s; Urteil vom 29. Juli 2009 – I ZR 102/07 , GRUR 2010, 235 Rn. 19 = WRP 2010, 381 – AIDA/AIDU).

Dies setzte jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus (BGH, GRUR 2003, 1047, 1049 [BGH 28.08.2003 – I ZR 293/00] – Kellog’s/Kelly’s); ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reiche nicht aus ( BGH, Urteil vom 13. November 2003 – I ZR 184/01 , GRUR 2004, 240, 241 – MIDAS/medAS). Ferner könne eine im Hinblick auf den beschreibenden Zeichenbestandteil bestehende Übereinstimmung die Verwechslungsgefahr nicht begründen (BGH, GRUR 2008, 803 Rn. 22 [BGH 14.02.2008 – I ZR 162/05] – HEITEC; Urteil vom 27. März 2013 – I ZR 100/11 , GRUR 2013, 631 Rn. 66 = WRP 2013, 778 – AMARULA/Marulablu).

Die Ansicht der Revision, die vorliegend einander gegenüberstehenden Zeichen hätten einen klar erkennbaren, die Zeichen unterscheidenden Sinngehalt, halte der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ihr liege die im Rahmen der Beurteilung der Kennzeichnungskraft rechtsfehlerhaft vorgenommene zergliedernde und analysierende Betrachtung der Bedeutung des Worts „Medicon“ zugrunde; sie wird zudem nicht von den Feststellungen des Berufungsgerichts getragen.

 

Kommentar / Fazit:

Der BGH unterstreicht in der vorliegenden Entscheidung, dass auf die Frage, ob ein Zeichen beschreibend ist, auf das Verständnis der relevanten Verkehrskreise abzustellen ist. Diese neigen in den seltensten Fällen dazu, ein Zeichen zu zergliedern, sondern nehmen es wahr, wie es ihnen gegenübertritt. Ferner neigen die Verkehrskreise nicht dazu, nach einem Sinngehalt in einem Zeichen zu suchen, der sich erst nach eingehenden Analyse ergibt.

Einer Verwechslungsgefahr kann entgangen werden, wenn die einander ähnlichen Zeichen, einen voneinander abweichenden Sinngehalt umfassen. Einer Verwechslungsgefahr ähnlicher Zeichen (mit ähnlichen oder identischen Waren und/oder Dienstleistungen) kann jedoch nicht entgangen werden, wenn der unterschiedliche Sinngehalt nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Vorliegend ist fraglich, ob nicht § 23 Nr. 1 oder 2 Markengesetz greifen könnten, die dem Anspruch der Klägerin entgegenstehen könnten. Dieses wäre der Fall, wenn die Beklagte die Bezeichnung nicht markenmäßig, sondern nur als Unternehmenskennzeichnung verwendet, ohne gegen die guten Sitten zu verstoßen. Bei der Wahl der Unternehmensbezeichnung herrscht im Vergleich zu einem Namensrecht einer natürlichen Person eine höhere Freiheit. Ein Verstoß gegen die guten Sitten könnte daher dann vorliegen, wenn die Unternehmensbezeichnung in Kenntnis der älteren Markenrechte mit bösen Absichten (Rufausbeutung, Störung, etc.) gewählt worden wäre.

Dieses war im oben skizzierten Fall jedoch nicht Gegenstand des Urteils.

 

 

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