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BGH: X ZR 78/14 – Opto – Bauelement

Der X. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss BGH: X ZR 78/14 – Opto-Bauelement vom 05. Oktober 2016 am Falle einer Teilanmeldung mit dem Beurteilen eines Naheliegens und dem Ausgangspunkt, von dem aus dieses Naheliegen zu beurteilen ist, auseinander gesetzt. Der X. Senat stellte in einem Leitsatz klar:

Der Umstand, dass eine vom materiell Berechtigten eingereichte Teilanmeldung formell fehlerhaft war, steht der Zubilligung des in Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ vorgesehenen Zeitrangs in einem Nichtigkeitsverfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Fehler zu einem späteren Zeitpunkt behoben wurde und eine Teilanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch zulässig war.
a) Die Wahl einer bestimmten Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt für die Lösung eines technischen Problems bedarf grundsätzlich der Rechtfertigung (Bestätigung von BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07 , BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 51 - Olanzapin; Urteil vom 18. Juni 2009 - Xa ZR 138/05 , GRUR 2009, 1039Rn. 20 - Fischbissanzeiger).
b) Für die Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann naheliegend war, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte möglicherweise als noch näherliegend in Betracht kommen.
Ein gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilter Hinweis des Patentgerichts, ein in einem Unteranspruch vorgesehenes Merkmal dürfte aus den vorgelegten Dokumenten nicht bekannt sein, gibt dem Nichtigkeitskläger regelmäßig Veranlassung, die Gründe aufzuzeigen, aus denen die Patentfähigkeit für den Gegenstand dieses Unteranspruchs zu verneinen ist.

Die Historie:

Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 022 787 (Streitpatents), das auf einer Stammanmeldung vom 31. Mai 1989 beruht und ein oberflächenmontierbares Opto-Bauelement sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung betrifft.

Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die mit Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Parteien mit der Berufung.

Aus den Gründen:

Der X. Senat des BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts das Recht zur Teilung einer Anmeldung nur dem Anmelder zu stünde. Art. 76 EPÜ sehe dies zwar nicht ausdrücklich vor. Die Vorschrift diene aber der Umsetzung von Art. 4G PVÜ und sei deshalb im Lichte dieser Vorschrift auszulegen (EPA ABl. 2005, 88 Rn. 2.4 – Teilanmeldung / The Trustees of Dartmourth College).

Es könne dahingestellt bleiben, ob hieraus folge, dass eine Teilanmeldung im Falle eines Rechtsübergangs nur dann durch den neuen Rechtsinhaber erfolgen dürfe, wenn dieser den Rechtsübergang durch Vorlage von Dokumenten nachgewiesen habe. Dieses sei jedenfalls dann nicht mehr beachtlich, wenn die Anforderungen zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt waren und eine Teilanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch zulässig war.

Bezüglich des Ausgangspunkts stellte der X. Senat fest, dass die Wahl eines Ausgangspunkts für die Lösung eines technischen Problems einer Rechtfertigung bedürfe.

Die – allenfalls aus rückschauender Sicht mögliche – Einordnung eines bestimmten Ausgangspunkts als „nächstkommender“ Stand der Technik sei hierfür weder ausreichend ( BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – X ZR 89/07 , BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 51 – Olanzapin) noch erforderlich ( BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 – Xa ZR 138/05 , GRUR 2009, 1039 Rn. 20 Fischbissanzeiger). Vielmehr bedürfe es konkreter Umstände, die dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt Veranlassung gaben, eine bestimmte Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen. Diese Rechtfertigung läge in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt ( BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 51 – Olanzapin).

Wenn für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht kämen, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Hierbei sei grundsätzlich ohne Bedeutung, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge ( BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 – X ZR 5/14 , GRUR 2016, 1023 Rn. 36 – Anrufroutingverfahren). Dementsprechend sei es für die Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann naheliegend war, grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte möglicherweise als noch näherliegend in Betracht kämen.

 

Kommentar / Fazit:

Die Entscheidung des BGH bestätigt die freie Wahl des Ausgangspunkts, um ein Naheliegen zu argumentieren. Es ist sogar unerheblich, ob es einen oder mehrere weitere Ausgangspunkte gibt und ob einer dieser Ausgangspunkte gegebenenfalls noch näherliegend in Betracht käme.

Der Ausgangspunkt ist jedoch zu rechtfertigen. Es bedarf der Rechtfertigung, dass konkrete Umstände vorlagen, die dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt Veranlassung gaben, eine bestimmte Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen. Diese Rechtfertigung liegt in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt.

 

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