Softwarepatente
Der nachfolgende Artikel richtet sich an den im gewerblichen Rechtsschutz kundigen Leser mit einer sehr fachspezifischen Problemstellung. Schorr IP berät Sie umfassend und verständlich im direkten Beratungsgespräch bei Ihren Fragen bezüglich computerimplementierter Erfindungen. Wir prüfen Ihre „Software“-Entwicklungen dahingehend, ob diese dem Patentschutz zugänglich sind und ob eine Aussicht auf Erteilung eines Patents bestehen könnte.
Definition
Ein Softwarepatent ist ein Patent, das Schutz für ein oder mehrere Computerprogramme begehrt, entweder unmittelbar als Anspruch oder mittelbar als wesentliches Mittel, das zur Benutzung des beanspruchten Erzeugnisses oder Verfahrens bestimmt ist. Als Synonym für den Begriff Softwarepatent werden auch die Begriffe computerimplementierte Erfindung und computergestützte Erfindung benutzt. Ein allgemein gültig definierter Begriff hat sich bislang noch nicht etabliert.
Überblick und Problemstellung
„Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen […] Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen […] die Wiedergabe von Informationen.“ So formulieren § 1 (3), (4) PatG und Art. 52 (2), (3) EPÜ einen grundsätzlichen Ausschluss von Computerprogrammen vom Erfindungsbegriff.
In den vergangenen Jahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) vermehrt die Möglichkeit genutzt, zu zentralen Fragen der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen Stellung zu beziehen. Der Fokus lag bisher auf der Beurteilung von Technizität computerimplementierter Erfindungen sowie auf dem Ausschluss von der Patentierbarkeit von Software als solcher. In einer jüngsten Entscheidung präzisiert der BGH die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bei computerimplementierten Erfindungen und zieht eine (vorläufige) Grenze für deren Schutzfähigkeit:
Kein Erfindungsausschluss von computerimplementierten Erfindungen
Ob Computerprogramme als solche überhaupt patentierbar sind, ist weitgehend geklärt. In der Entscheidung „Dynamische Dokumentengenerierung“ (Urteil v. 22. April 2010 – Xa 20/08) hatte der BGH klargestellt, dass der Ausschluss von der Erfindungsfähigkeit dann nicht für computerimplementierte Verfahren gilt, sofern diese ein technisches Problem mit technischen Mitteln zu lösen im Stande sind. Bezogen auf das Zusammenspiel von Software und Hardware liegt eine solche Problemlösung nach Ansicht des BGH danach zum einen vor, wenn der Ablauf von Software zur Problemlösung durch solche technische Gegebenheiten außerhalb der zu steuernden Hardware bestimmt wird. Daneben kann eine patentfähige Lösung darin bestehen, Software so auszugestalten, dass sie auf technische Gegebenheiten Rücksicht nimmt. Schließlich reicht es auch aus, wenn eine Modifizierung oder neuartige Adressierung der Gerätekomponenten vorgenommen wird.
Technischer Charakter von computerimplementierten Erfindungen
In seiner Entscheidung „Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten“ (BGH, Urt. v. 20. Januar 2009 – X ZB 22/07, Rn. 8) hat der BGH zuletzt erklärt, dass Computerprogramme oder entsprechende Verfahrensansprüche stets als technisch i. S. d. § 1 Abs. 1 PatG anzusehen sind. Die erforderliche Technizität läge schon deswegen vor, weil der Gegenstand der datenverarbeitungsmäßigen Abarbeitung von Verfahrensschritten der Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten mittels eines technischen Geräts dient. Ob der Anmeldegegenstand neben technischen Merkmalen auch nichttechnische aufweist ist hierbei unerheblich.
Zum Zwecke der Auslegung des in den Patentgesetzen verankerten Patentierungsverbots für Computerprogramme wird davon ausgegangen, dass Computerprogrammen nicht allein deshalb ein technischer Charakter zugesprochen werden kann, weil sie Computerprogramme sind. Dies bedeutet, dass die bei Ausführung von Programmbefehlen auftretenden physikalischen Veränderungen bei der Hardware (die beispielsweise elektrische Ströme fließen lassen) nicht per se den technischen Charakter ausmachen können, durch den das Patentierungsverbot für ein solches Programm gegenstandslos würde.
Weiterer Effekt
Der technische Charakter kann in den sogenannten weiteren Effekten liegen, die mit der Ausführung der Programmbefehle (durch die Hardware) einhergehen. Jedes Computerprogrammprodukt ruft einen Effekt hervor, wenn das betreffende Programm auf einem Computer zum Einsatz kommt. Dieser Effekt manifestiert sich in der physischen Realität nur dann, wenn das Programm abläuft. Das Computerprogrammprodukt selbst zeigt den betreffenden Effekt mithin in der physischen Realität nicht direkt, sondern nur im Zuge des Programmablaufs und besitzt demnach nur das „Potential“ zur Erzeugung dieses Effekts. Ist dieser Effekt technischer Art, bildet er den „weiteren technischen Effekt“. Ein Computerprogrammprodukt kann also das Potential zur Erzeugung eines „weiteren“ technischen Effekts besitzen.
Sofern sie einen technischen Effekt der beschriebenen Art bewirken können, müssen alle Computerprogramme als Erfindungen im Sinne des Patentgesetzes angesehen werden und können dann auch patentiert werden, wenn die anderen Patentierungserfordernisse (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, etc.) erfüllt sind.
Technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand
Muss ein beanspruchtes Merkmal eine technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt hervorrufen, um einen Beitrag zum technischen Charakter des Anspruchs zu leisten?
Die Große Beschwerdekammer verneint dies. Seitens der Großen Beschwerdekammer ist lediglich akzeptiert, dass dies für die Überwindung des Patentierungsverbots ausreicht; für notwendig erklärt haben sie es nicht.
Technische Überlegungen: Programmierung eines Computers
Nicht festgelegt ist, ob bzw. unter welchen Umständen die mit der Erzeugung von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen verbundene Tätigkeit, d. h. die Programmierung eines Computers, eine grundsätzlich patentierbare technische Tätigkeit ist oder eine nichttechnische Tätigkeit, die als solche von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist.
Jede Computerprogrammierung geht mit technischen Überlegungen einher, da diese auf die Festlegung eines von einer Maschine ausführbaren Verfahrens gerichtet ist. Diese allein reichen nicht aus, um dem aus der Programmierung hervorgehenden Programm technischen Charakter zu verleihen. Dazu muss der Programmierer technische Überlegungen angestellt haben, die über das „bloße“ Ermitteln eines Computeralgorithmus zur Ausführung eines Verfahrens hinausgehen.
Technische Überlegungen: Ausführung einer Funktion auf einem Computersystem
Die Verwendung einer Information in einem technischen System oder ihre diesbezügliche Verwendbarkeit der Information kann dem Gegenstand selbst technischen Charakter verleihen, insoweit als diese die Eigenschaften des technischen Systems widerspiegelt, z. B. dadurch, dass sie besonders formatiert und/oder verarbeitet ist. Eine derartige Information kann, wenn sie in dem technischen System verwendet oder verarbeitet wird, Bestandteil der technischen Lösung einer technischen Aufgabe sein und somit zur Grundlage für einen technischen Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik werden.
Die Umsetzung einer Funktion in einem Computersystem schließt stets – zumindest implizit – technische Überlegungen ein und kommt im Wesentlichen einer Funktionsausweitung eines technischen Systems gleich.
Von einem Computer ausgeführte Verfahren
Ist für ein beanspruchtes Verfahren der Einsatz eines Computers erforderlich, so hat es technischen Charakter und stellt eine Erfindung im Sinne des Patentgesetzes dar. Da ein Anspruch für ein Verfahren zum Betrieb eines Computers einen Computer umfasse, kann er nicht vom Patentschutz ausgeschlossen sein.
Der technische Charakter ist solchenfalls interner Natur und kann sich insbesondere aus der Wirkung auf den Computer ergeben.
Ein Beispiel hierfür ist der Fall, in dem die technische Wirkung sich aus einer, unabhängig vom kognitiven Inhalt, Verbesserung des internen Betriebs eines Computersystems durch Verwendung einer entsprechenden funktionalen Datenstruktur ergibt.
Computergestütztes Simulationsverfahren
Simulationsverfahren, die Umweltbedingungen abbilden, stellen einen hinreichend bestimmten technischen Zweck eines computergestützten Verfahrens dar, das auf den technischen Zweck funktional beschränkt ist. Die konkreten technischen Anwendungen computergestützter Simulationsverfahren sind selbst als moderne technische Verfahren anzusehen, die einen wesentlichen Bestandteil des Fabrikationsprozesses darstellen und der materiellen Herstellung in der Regel als Zwischenschritt vorausgehen. In diesem Sinne kann derartigen Simulationsverfahren eine technische Wirkung nicht abgesprochen werden, nur weil sie noch nicht das materielle Endprodukt umfassen.
Erfinderische Tätigkeit von computerimplementierten Erfindungen
Um als patentfähig zu gelten, müssen computerimplementierte Erfindungen aber auch die weiteren allgemeinen Voraussetzungen wie Neuheit und erfinderische Tätigkeit erfüllen. Bei einem solchen Erfindungsgegenstand dürfen allerdings für die Beurteilung, inwieweit eine erfinderische Tätigkeit vorliegt, nur solche Anweisungen im Patentanspruch Berücksichtigung finden, die die patentgemäße Lösung des beschriebenen technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (vgl. BGH, Urteil v. 26. Oktober 2010 – X ZR 47/07 – Wiedergabe topographischer Informationen).
Dieses Kriterium für Erfindungsmerkmale, die eine computergesteuerte Datenauswahl beschreiben, hat der BGH mit seiner Entscheidung „Routenplanung“ (BGH, Urteil v. 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12) präzisiert. Danach können Anweisungen zur Datenauswahl, deren technischer Aspekt sich auf die Anweisung beschränkt, hierzu Datenverarbeitungsmittel einzusetzen, jedenfalls bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn solche Anweisungen zu einer Verringerung der erforderlichen Rechenschritte führen (Urt. v. 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12, Rn. 54 – Routenplaner). Das bedeutet, dass die bloße Anweisung, eine Datenauswahl durch einen Computer vorzunehmen, die erforderliche Technizität begründet. Ein solches Merkmal muss bei der Frage außer Betracht bleiben, ob ein zusätzlicher Beitrag zum Stand der Technik vorliegt.
Die bloße Automatisierung der Datenauswahl bei bereits bekannten Verfahren ist damit also patentrechtlich nicht schutzfähig.
Im Grundsatz entspricht dieser Beurteilungsmaßstab der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des EPA. Dort werden für die Beurteilung des erfinderischen Schritts auch nur solche Merkmale berücksichtigt, die einen technischen Charakter aufweisen (sog. COMVIK approach, vgl. EPA, Entscheidung v. 26. September 2002 – T 641/00 – COMVIK). Allerdings lassen es die EPA-Beschwerdekammern bei dieser Beurteilung ausreichen, dass zum einen auch nicht-technische Probleme, die durch eine technische Lösung überwunden werden, Berücksichtigung finden. Zum anderen können auch nicht-technische Lösungen (wie beispielsweise mathematische Algorithmen) ihren technischen Charakter vom zu lösenden technischen Problem ableiten.
Sie verstehen nur Bahnhof? Schorr IP berät Sie umfassend und verständlich im direkten Beratungsgespräch bei Ihren Fragen bezüglich computerimplementierter Erfindungen. Wir prüfen Ihre „Software“-Entwicklungen dahingehend, ob diese dem Patentschutz zugänglich sind und ob eine Aussicht auf Erteilung eines Patents bestehen könnte.