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BHG: I ZR 259/15 – Curapor

Der I. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss I ZR 259/15 – Curapor vom 11. Oktober 2018 mit dem Rückruf- und Vernichtungsanspruch widerrechtlich gekennzeichneter Waren   beschäftigt. Er hielt hierzu fest:

a) Die Anordnung der Vernichtung widerrechtlich gekennzeichneter Waren gemäß § 18 Abs.1 MarkenG sowie die Anordnung des Rückrufs und des endgültigen Entfernens solcher Waren aus den Vertriebswegen haben über die Folgenbeseitigung hinaus Sanktionscharakter und sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen. Die Frage der Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 18 Abs. 3 MarkenG ist deshalb unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Eine schematische Prüfung verbietet sich.

b) In die Abwägung einzubeziehen sind unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks der Vorschrift das Vernichtungsinteresse des Inhabers der Marke und das Erhaltungsinteresse des Verletzers, die Schuldlosigkeit oder der Grad des Verschuldens des Verletzers, die Schwere des Eingriffs in das Markenrecht (unmittelbare Übernahme oder Verletzung im Randbereich), der Umfang des bei der Vernichtung für den Verletzer entstehenden Schadens im Vergleich zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden des Rechtsinhabers und Besonderheiten der Beschaffenheit der Ware.

c) Neben diesen Gesichtspunkten kann bei der Abwägung auch die Frage von Bedeutung sein, ob im Einzelfall ein milderes Mittel zur Beseitigung der Störung, wie etwa die sichere und dauerhafte Entfernung der widerrechtlichen Kennzeichnung, zur Verfügung steht.

Die Historie:

Nachfolgend wird auf die markenrechtlichen Aspekte der Entscheidung eingegangen. Aus Gründen einer kompakten Darstellen, wurden Aspekte der Mahnung und der Ersatzzahlungen ausgespart oder nur stark verkürzt dargestellt.

Die Klägerin ist Inhaberin der am 14. September 1978 für die Ware „Vliesstoff-Wundschnellverband“ der Klasse 5 eingetragenen deutschen Wortmarke Nr. 976403 „CURAPOR“. Sie stellt her und vertreibt unter anderem die Produkte „Curapor® transparent Chirurgischer Wundverband“ und „Curapor® Chirurgischer Wundverband“.

Die Beklagte vertreibt unter anderem von der Klägerin hergestellte und in der Europäischen Union in den Verkehr gebrachte Wundverbände. Am 30. Juli 2013 erwarb die Klägerin im Rahmen eines Testkaufs verschiedene „Curapor® „-Wundverband-Produkte, die die Beklagte zuvor an den Pharmagroßhändler veräußert hatte. Auf den Faltschachteln der Produkte hatte die Beklagte einen Aufkleber angebracht, der folgende Angaben enthielt: B. Naturprodukte Tel.: …, Fax: … eMail: … Außerdem waren auf den Etiketten ein Barcode und eine Pharmazentralnummer (PZN) der Beklagten aufgedruckt.

Die Beklagte hatte die Klägerin nicht über den Vertrieb der „Curapor“- Produkte vorab informiert und ihr auch keine durch den Aufkleber veränderte Produktpackung zur Verfügung gestellt.

Die Klägerin sieht in dem Verhalten der Beklagten eine Verletzung ihrer Marke. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 13. August 2013 ab und stellte dafür Kosten in Rechnung. Mit Schreiben vom 19. August 2013 zeigte die Beklagte der Klägerin den zukünftigen Vertrieb unter anderem des Produkts „Curapor® WundV Größe 10 x 8 cm, 50 Stück“ an. Die Beklagte gab außerdem eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die die Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 annahm.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin unter anderem den Rückruf, die Entfernung aus den Vertriebswegen und die Vernichtung markenverletzender Produkte begehrt. Sie hat ferner beantrag die Beklagte zu verurteilen, die wie hier ersichtlich veränderten Produkte, die mit der Marke Curapor® gekennzeichnet sind, deren verändertes Inverkehrbringen in den geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin erfolgte und von den Beklagten nicht vorab angezeigt wurde und die auf Verlangen nicht als Muster vorgelegt wurden, zurückzurufen, sie endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen sowie solche in ihrem Besitz oder Eigentum stehenden Waren zu vernichten. Das Landgericht hat diesen Klageanträgen stattgegeben.

Aus den Gründen:

Nachfolgend wird im Schwerpunkt der Aspekt des Rückruf- und Vernichtungsanspruchs beleuchtet. Die weiteren Aspekte treten bei der folgenden Betrachtung in den Hintergrund.

Der I. Senat stellte fest, dass der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung einen Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 MarkenG grundsätzlich auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen widerrechtlich gekennzeichneten Ware (§ 18 Abs. 1 MarkenG) sowie auf Rückruf solcher Waren oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen (§ 18 Abs. 2 MarkenG). Diese Ansprüche seien gemäß § 18 Abs. 3 MarkenG ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig wäre.

Die Anordnung der Vernichtung widerrechtlich gekennzeichneter Waren gemäß § 18 Abs. 1 MarkenG sowie die Anordnung des Rückrufs und des endgültigen Entfernens solcher Waren aus den Vertriebswegen habe über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und sei wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 27/03, BGHZ 166, 233 Rn. 52 – Parfümtestkäufe).

Die Frage der Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 18 Abs. 3 MarkenG sei deshalb unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten (BGH, Urteil vom 10. April 1997 – I ZR 242/94, GRUR 1997, 899, 901 [juris Rn. 35] = WRP 1997, 1189 – Vernichtungsanspruch; Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 188/11, BGHZ 198, 159 Rn. 46 – Hard Rock Cafe).

So sei unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks der Vorschrift das Vernichtungsinteresse des Inhabers der Marke und das Erhaltungsinteresse des Verletzers abzuwägen (BGH, GRUR 1997, 899, 901 – Vernichtungsanspruch). In die Abwägung einzubeziehen sei ferner die Schuldlosigkeit oder der Grad des Verschuldens des Verletzers (BGH, GRUR 1997, 899, 901 [juris Rn. 35] – Vernichtungsanspruch). Insbesondere bei schuldlosem Handeln des Verletzers werden bei der Abwägung, ob und durch welche Maßnahmen dem Gebot der Beseitigung des rechtsverletzenden Zustands auf andere Weise genügt ist, aus verfassungsrechtlichen Gründen entsprechend geringere Anforderungen zu stellen sein (vgl. BGHZ 166, 233 Rn. 52 – Parfümtestkäufe).

Im Rahmen der Abwägung sei außerdem die Schwere des Eingriffs in das Markenrecht (unmittelbare Übernahme oder Verletzung im Randbereich), der Umfang des bei der Vernichtung für den Verletzer entstehenden Schadens im Vergleich zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden des Rechtsinhabers (vgl. BGH, GRUR 1997, 899, 901 [juris Rn. 35] – Vernichtungsanspruch; BGHZ 166, 233 Rn. 52 – Parfümtestkäufe) und Besonderheiten der Beschaffenheit der Ware (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 18 Rn. 35) einzubeziehen.

Neben diesen Gesichtspunkten könne auch die Frage von Bedeutung sein, ob im Einzelfall ein milderes Mittel zur Beseitigung der Störung, etwa die sichere und dauerhafte Entfernung der widerrechtlichen Kennzeichnung, zur Verfügung stünde (BGH, GRUR 1997, 899, 901 [juris Rn. 36] – Vernichtungsanspruch). Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 MarkenG sein bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit schließlich auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.

Da die Bestimmung des § 18 Abs. 3 MarkenG auf die Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall abstellt, können die genannten Umstände ein mehr oder weniger starkes Gewicht haben, eine schematische Prüfung verbiete sich.

Vorliegend sei das Markenrecht der Klägerin gemäß § 24 MarkenG erschöpft. Nach der Bestimmung des § 24 Abs. 1 MarkenG gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Diese Voraussetzungen sein erfüllt. Die Klägerin habe die von ihr beim Testkauf am 30. Juli 2013 erworbenen „Curapor“-Produkte unstreitig zuvor innerhalb der Europäischen Union in den Verkehr gebracht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann sich der Inhaber einer Marke dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht hat, es sei denn, es liegen die nachfolgend wiedergegebenen fünf Voraussetzungen vor (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 – C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Slg. 1996, I-3545 = GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 79 – Bristol-Myers Squibb/Paranova; Urteil vom 26. April 2007 – C-348/04, Slg. 2007, I-3391 = GRUR 2007, 586 Rn. 21 – Boehringer Ingelheim/Swingward II):

  • Es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde.
  • Es ist dargetan, dass das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann.
  • Auf der neuen Verpackung ist klar angegeben, von wem das Arzneimittel umgepackt worden ist und wer deren Hersteller ist.
  • Das umgepackte Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann. Die Verpackung darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein.
  • Der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des umgepackten Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware.

Diese Grundsätze fänden somit nur Anwendung, wenn der Importeur die Ware umgepackt hat, wobei der Begriff des Umpackens nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch die Neuetikettierung von mit der Marke versehenen Arzneimitteln umfasse (GRUR 2007, 586 Rn. 28 – Boehringer Ingelheim/Swingward II).

Die Anbringung der vorliegend in Rede stehenden Aufkleber auf die Verpackungen der Medizinprodukte stelle danach gleichfalls keinen berechtigten Grund im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG für die Klägerin dar, sich dem weiteren Vertrieb der Produkte zu widersetzen.

Kommentar / Fazit:

Die Abwägung der bestehenden Interessen von Markeninhaber und Importeur sind im Einzelfall zu betrachten. Eine Markenverletzung liegt zumindest dann nicht vor, wenn kein Umpacken der Ware und keine Neuetikettierung der mit der Marke versehenen Ware vorliegt. Das Anbringen eines Aufklebers mit Adresse des Importeurs führt ferner ebenfalls nicht zu einer Markenverletzung.

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