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Entscheidungen - Gesetzesänderungen- Kurioses

BGH: I ZB 6/16 – Dorzo

Der I. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss I ZB 6/16 Dorzo vom 11. Mai 2017 mit dem Hinzufügen von Änderungen von eingetragenen Marken. Er hielt hierzu fest:

a)Die Ergänzung einer an sich unveränderten Marke durch Zusätze stellt keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG dar, wenn die Zusätze mit dem Zeichen erkennbar verbunden sind. In diesem Fall handelt es sich um eine Verwendung der Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form ( § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG ).
b) Erkennt der Verkehr das mit Zusätzen verwendete Markenwort (hier: Dorzo-Vision®) nicht mehr als eigenständiges Produktkennzeichen (hier: Dorzo), verändert die Abweichung grundsätzlich den kennzeichnenden Charakter der Marke, so dass von einer rechtserhaltenden Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nicht ausgegangen werden kann.
c) Bei der Prüfung, ob eine von der Eintragung abweichende Verwendung der Marke deren kennzeichnenden Charakter verändert, kommt es nicht darauf an, ob die Marke innerhalb der konkreten Verwendungsform eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.
Die Historie:

Die Markeninhaberin hat am 16. September 2010 die Wortmarke „Dorzo plus T STADA“ Nr. 30 2010 054 551 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren der Klasse 5 „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ angemeldet. Die Marke wurde am 11. März 2011 in das Register eingetragen und die Eintragung am 15. April 2011 veröffentlicht.

Der Widersprechende hat am 14. Juli 2011 Widerspruch aus seiner am 11. Mai 2010 eingetragenen Wortmarke Nr. 30 2010 023 494 „Dorzo“ erhoben, deren Schutzbereich die Waren der Klasse 5 „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten“ umfasst.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom 6. Februar 2013 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und die dagegen gerichtete Erinnerung der Markeninhaberin mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und den Widerspruch aus der Marke Nr. 30 2010 023 494 zurückgewiesen (BPatG, GRUR 2016, 503), unter anderem mit der Begründung, dass die Widerspruchsmarke nicht in der eingetragenen Form, sondern mit Zusätzen verwendet worden war. Dadurch sei der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke so verändert worden, dass eine rechtserhaltende Benutzung nicht angenommen werden könne.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Markeninhaberin beantragt, verfolgt der Widersprechende sein Löschungsbegehren weiter.

Aus den Gründen:

Nachfolgend wird im Schwerpunkt der Aspekt der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke beleuchtet, die in abgeänderter Form verwendet wurde. Die weiteren Aspekte treten bei der folgenden Betrachtung in den Hintergrund.

Der I. Senat des BGH führt aus, dass die am 11. Mai 2010 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 15. April 2011 noch nicht fünf Jahre im Register eingetragen war, so dass für die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Nichtbenutzungseinrede die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht anwendbar sei. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist für die Widerspruchsmarke lief fünf Jahre nach deren Eintragung am 11. Mai 2015 ab ( § 25 Abs. 1 MarkenG ) und endete damit nach der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke. Für die im Streitfall erhobene Nichtbenutzungseinrede sei damit auf die Frist des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzustellen.

Das Bundespatentgericht habe zu Recht angenommen, dass der Widersprechende Art, Dauer und Umfang der Nutzung der Widerspruchsmarke für die Zeit vom 13. August 2010 bis zum 13. August 2015 glaubhaft zu machen hatte. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ist maßgeblich der Fünfjahreszeitraum vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 13. August 2015 (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – I ZB 100/05 , GRUR 2007, 321 Rn. 29 = WRP 2007, 321 – COHIBA).

Das Bundespatentgericht hat angenommen, nach der eidesstattlichen Versicherung der Produktmanagerin der OmniVision GmbH vom 3. August 2015 sprächen die Umsatzzahlen zwar dafür, dass die OmniVision GmbH als Lizenznehmerin des Widersprechenden und mit dessen Zustimmung in den vergangenen Jahren in ausreichendem Umfang unter den Bezeichnungen „Dorzo-Vision®“ und „DorzoComp-Vision® sine“ Carboanhydrasehemmer mit dem Wirkstoff Dorzolamid in Form von Augentropfen vertrieben habe, wenngleich die Umsatzzahlen nicht auf eigener Kenntnis der Produktmanagerin beruhten. Dies bedürfe jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Die Widerspruchsmarke „Dorzo“ sei jedenfalls nicht in der eingetragenen Form, sondern mit Zusätzen verwendet worden. Die Lizenznehmerin habe die Zeichen „Dorzo-Vision®“, „DorzoComp-Vision®“ und „DorzoComp-Vision® sine“ benutzt.

Die auf den Verpackungen verwendeten, von der eingetragenen Form abweichenden Benutzungsformen stellten keine Benutzung der Widerspruchsmarke dar. Bei der der eingetragenen Form am nächsten kommenden Verwendungsform „Dorzo-Vision®“ sehe der Verkehr die beiden Bestandteile „Dorzo“ und „Vision“ nicht als selbständige Zeichen, sondern als einheitlichen Herkunftshinweis an. Beide Bestandteile seien gleich groß und mit einer einheitlichen Schrifttype geschrieben, sie seien durch einen Bindestrich verbunden. Die Kennzeichnung sei einheitlich in hellblauer Farbe gehalten, während die übrigen Aufschriften im Wesentlichen eine schwarze Farbe aufwiesen. Hinzu komme das am Ende der Wortkombination hinter „Vision“ hochgestellte „®“, das der Verkehr nicht nur auf „Vision“, sondern auf das gesamte Zeichen beziehen werde. Außerdem hätten beide Bestandteile beschreibende Anklänge in Bezug auf den Wirkstoff (Dorzolamid) und den Anwendungsbereich (Vision als englischer Begriff für „Sicht, Sehkraft, Sehvermögen“). Das Zeichenumfeld weise ebenfalls auf ein einheitliches Zeichen hin, weil sich unmittelbar über dem Zeichen „Dorzo-Vision®“ die weitere Kennzeichnung „OmniVision®“ befinde, die auf die Firma der Herstellerin, der OmniVision GmbH, hinweise. Der angesprochene Verkehr gehe bei dieser Gestaltung von zwei und nicht von drei Marken aus. Der Umstand, dass der Widersprechende den Zeichenbestandteil „Vision“ als Stammbestandteil einer umfangreichen Zeichenserie benutze, ändere daran nichts.

Die isolierte Verwendung von Wortmarken komme in der Praxis kaum vor. Wird eine Wortmarke dergestalt benutzt, dass das Wortzeichen graphisch oder farblich gestaltet wird oder bildliche Elemente hinzugefügt werden, ist zu prüfen, ob diese weiteren Elemente einen Bezug zur Funktion der Marke als Herkunftshinweis haben oder lediglich allgemeine Sachangaben oder werbliche Hervorhebungsmittel sind ( BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 38/13 , GRUR 2014, 662 Rn. 18 = WRP 2014, 856 – Probiotik, mwN). Bei der Frage, ob eine Marke in der eingetragenen Form oder in einer hiervon abweichenden Form benutzt worden sei, müsse deshalb vorab geklärt werden, ob weitere Elemente wie zusätzliche Wörter, Bilder, Formen, Farben einen relevanten Bezug zur Marke aufweisen, oder ob es sich lediglich um von der Marke völlig unabhängige allgemeine Sachangaben oder Ausstattungselemente handele, die für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Marke ohne Bedeutung sind (Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 26 Rn. 153).

Die Ergänzung einer an sich unveränderten Marke durch Zusätze stelle keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG dar, wenn die Zusätze mit dem Zeichen erkennbar verbunden sind. In diesem Fall handele es sich um eine Verwendung der Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1998 – I ZB 37/96 , GRUR 1999, 54, 55 = WRP 1998, 1081 – Holtkamp; Beschluss vom 15. Dezember 1999 – I ZB 29/97 , GRUR 2000, 1040, 1041 = WRP 2000, 1164– FRENORM/FRENON; Beschluss vom 20. Januar 2005 – I ZB 31/03 , GRUR 2005, 515, 516 = WRP 2005, 620 – FERROSIL). Die Verbindung zwischen der Marke und einem Zusatz kann insbesondere durch die räumliche Nähe oder die Einbindung in ein Logo hergestellt werden ( BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 114/13 , GRUR 2015, 587 Rn. 13 und 16 f. = WRP 2015, 732 [BGH 17.11.2014 – I ZR 114/13] – PINAR; Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 156).

Würde die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, lege eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nur vor, wenn die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters sei dann zu verneinen, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetze, das hieße, in der benutzten Form noch dieselbe Marke sehe (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 112/10 , GRUR 2013, 68 Rn. 14 = WRP 2013, 61 – Castell/VIN CASTEL; Urteil vom 10. Januar 2013 – I ZR 84/09 , GRUR 2013, 840 Rn. 20 = WRP 2013, 1030 – PROTI II; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 26 Rn. 177).

Werden zur Kennzeichnung einer Ware zwei Zeichen verwendet, lege es in der Regel nahe, dass der Verkehr darin ein aus zwei Teilen bestehendes zusammengesetztes Kennzeichen erblicke. Denkbar sei aber auch, dass der Verkehr in der Kennzeichnung keinen einheitlichen Herkunftshinweis, sondern zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sehe ( BGH, Urteil vom 5. November 2008 – I ZR 39/06 , GRUR 2009, 766 Rn. 50 f. = WRP 2009, 831 – Stofffähnchen I; BGH, GRUR 2013, 840 Rn. 20 [BGH 10.01.2013 – I ZR 84/09] – PROTI II). Hiervon sei das Bundespatentgericht ausgegangen. Die Beurteilung, ob die abweichende Benutzung den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändere, sei grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt, insbesondere auf eine zutreffende Rechtsanwendung und die Beachtung der allgemeinen Lebenserfahrung, überprüfbar ( BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2007 – I ZB 39/05 , GRUR 2008, 719 Rn. 24 = WRP 2008, 1098 – idw Informationsdienst Wissenschaft).

Allerdings könne der Verkehr im Einzelfall einen Zeichenbestandteil als ein selbständig verwendetes Zweitkennzeichen auffassen, weil der Verkehr vielfach an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt ist (BGH, GRUR 2005, 515, 516 [BGH 20.01.2005 – I ZB 31/03] – FERROSIL, mwN). Ohne weiteres würde die Verwendung einer Zweitmarke deutlich, wenn es sich bei einem der beiden Zeichen um den dem Verkehr bekannten Namen des Unternehmens handelt ( BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – I ZR 71/04 , GRUR 2007, 592Rn. 14 = WRP 2007, 958 – bodo Blue Night). In diesem Fall gelten jedoch keine anderen Grundsätze. Nimmt der Verkehr die Bezeichnungen als zwei getrennte Kennzeichen wahr, ist von einer rechtserhaltenden Benutzung auszugehen. Sehe der Verkehr dagegen die beiden Zeichen als unselbständige Bestandteile eines neuen einheitlichen Zeichens an, verwende der Markeninhaber den darin enthaltenen Bestandteil, der als Marke eingetragen ist, nicht rechtserhaltend.

Kommentar / Fazit:

Der I. Senat des BGH spricht eine alltägliche Problematik im Bereich der Markenbenutzung an. Oft erfahren Marken Weiterentwicklungen bezüglich Ihrer Gestaltung und Zusammensetzung, was von der ursprünglich eingereichten und registrierten Form abweichen  kann.

Weniger kritisch ist die bloße Veränderung des Schriftbilds, der Farbgestaltung und der dergleichen bei Wortmarken, so lange das Wort unverändert bleibt.

Kritisch können dann das Hinzufügen weiterer Worte zur Marke und ein zu nahes Anordnung des Firmennamens an die Marke werden, wenn die relevanten Verkehrskreise die Zeichen nicht voneinander unterscheiden.

Für die Praxis bedeutet dies, dass Firmenbezeichnungen derart auf Produkten oder Schreiben angeordnet werden sollten, dass die Verkehrskreise diese nicht als zur Marke zugehörig mitlesen. Eine deutliche räumliche Trennung und ein Verwenden der Marke in Alleinstellung können hier zielführend sein.

Bei Marken mit ergänzten weiteren Worten dürfte es schwieriger sein, eine rechtserhaltenden Benutzung zu argumentieren. Am oben genannten konkreten Beispiel war es nachteilig, dass das hochgestellte „®“ am Zusatzzeichen und nicht am eingetragenen Zeichen angeordnet war. Dieses könnte ein Hinweis darauf sein, die die Beurteilung des BGH möglicherweise anders ausgefallen wären, wenn das hochgestellte „®“ direkt hinter der eingetragenen Marke angeordnet gewesen wäre.

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