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BGH: X ZR 59/16 – Kinderbett

Der X. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss X ZR 59/16 Kinderbett vom 27. März 2018 mit dem allgemeinen Fachwissen zum Beurteilung des Vorliegens von erfinderischer Tätigkeit beschäftigt. Er hielt hierzu fest:

Die generelle Eignung eines zum allgemeinen Fachwissen zählenden Lösungsmittels kann nur dann als Veranlassung zu ihrer Heranziehung genügen, wenn für den Fachmann ohne weiteres erkennbar ist, dass eine technische Ausgangslage besteht, in der sich der Einsatz des betreffenden Lösungsmittels als objektiv zweckmäßig darstellt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 56/05 , GRUR 2009, 743 - Airbag-Auslösesteuerung, und Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10 , GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem).
Die Historie:

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 550 387 (Streitpatents), das am 19. April 2004 unter Inanspruchnahme einer chinesischen Priorität vom 2. Januar 2004 angemeldet wurde und ein Kinderbett betrifft.

Die Klägerin hat das Streitpatent mit der Begründung angegriffen, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise in beschränkten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags IV für rechtsbeständig erachtet und im Übrigen für nichtig erklärt.

Aus den Gründen:

Nachfolgend wird im Schwerpunkt der Aspekt des allgemeinen Fachwissens zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eines Patents beleuchtet. Die weiteren Aspekte treten bei der folgenden Betrachtung in den Hintergrund.

Der X. Senat stellte fest, dass um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, zum einen erforderlich sei, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen sei, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen müsse der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedürfe es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe ( BGH, Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 92/05 , BGHZ 182, 1 Rn. 20 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 – X ZR 65/05 , GRUR 2010, 407 Rn. 17 – einteilige Öse; st. Rspr.).

Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehöre, belege noch nicht, dass es für den Fachmann nahegelegen habe, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen ( BGH, Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 56/05 , GRUR 2009, 743 Rn. 37 – Airbag-Auslösesteuerung).

Über eine fehlende Anregung helfe auch nicht der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz hinweg, dass Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung, die als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehöre, bereits dann bestehen könne, wenn es für die Anwendung dieser Lösung zwar kein konkretes Vorbild gebe, die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang sich aber als objektiv zweckmäßig darstelle und keine besonderen Umstände festzustellen sein, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen ( BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10 , GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem; Urteil vom 26. September 2017 – X ZR 109/15 ,Mitt. 2018, 21Rn. 113 – Spinfrequenz).

Die generelle Eignung eines zum allgemeinen Fachwissen zählenden Lösungsmittels könne aber nur dann als Veranlassung zu ihrer Heranziehung genügen, wenn für den Fachmann ohne weiteres erkennbar sei, dass eine technische Ausgangslage bestehe, in der sich der Einsatz des betreffenden Lösungsmittels als objektiv zweckmäßig darstellt.

Kommentar / Fazit:

Das Beurteilen, ob eine erfinderische Tätigkeit in einem konkreten Fall vorliegt oder nicht, ist stets schwer zu beurteilen. In vielen Fällen werden Erfindungen zu lange bestehenden Problemen gemacht, deren Lösungen oft naheliegend scheinen.

Der X. Senat des BGH zielt in der Entscheidung auf die Ausgangslage ab. Von dieser aus muß es objektiv zweckmäßig sein und keine besonderen Umstände festzustellen sein, die gegen ein Heranziehen der jeweiligen technischen Lösung sprechen könnten, um einen aus der Stand der Technik bekannten Sachverhalt zum Beurteilen der erfinderischen Tätigkeit heranzuzuziehen.

Dieses ist im Einzelfall zu klären.

Gestärkt dürfte durch die Entscheidungen jedoch Betrachtungsweisen sein, wonach ein Gegenstand, der nicht unerhebliche bauliche Anpassungen bedürfen würde, um zum Gegenstand der jeweiligen Erfindung zu gelangen, wohl eher nicht als Ausgangslage dienen dürfte, um in naheliegender Weise zum Gegenstand der jeweiligen Erfindung zu gelangen.Dieses dürfte nämlich objektiv unzweckmäßig sein.

Auch Fälle, in denen in einer Patentschrift mehrer einander ausschließende Ausführungsbeispiele genannt sind, dürften solchenfalls per se nicht objektiv zweckmäßig miteinander kombinierbar sein.

 

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