BGH: I ZR 221/16 – Beauty for less
Der X. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss I ZR 221/16 Beauty for less vom 28. Juni 2018 mit der Erschöpfung des Markenrechts beschäftigt. Er hielt hierzu fest:
a) Verwendet ein Wiederverkäufer eine Mehrzahl von Marken auf dem Versandkarton, in dem sich Produkte befinden, die nicht mit einer dieser Marken gekennzeichnet sind, so liegt der für die Erschöpfung des Rechts an diesen Marken erforderliche konkrete Produktbezug vor, wenn der Verkehr angesichts des Versandkartons annimmt, der Wiederverkäufer vertreibe Produkte aller dort genannten Marken, sofern dies tatsächlich der Fall ist.
b) Für das einer Erschöpfung des Markenrechts entgegenstehende berechtigte Interesse des Markeninhabers, sich der Werbung eines Wiederverkäufers zu widersetzen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Form dieser Werbung in der Branche des Wiederverkäufers unüblich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob die konkrete Werbung die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt, ihre Unterscheidungskraft ausnutzt oder ihren Ruf beeinträchtigt.
Die Historie:
Die Klägerin ist Lizenznehmerin der für Parfümerien eingetragenen Gemeinschaftswortmarken Nr. XXX „JOOP!“ und Nr. XXX „DAVIDOFF“. Sie ist von den Markeninhabern ermächtigt, Ansprüche wegen Verletzungen dieser Marken im eigenen Namen geltend zu machen.
Die Beklagte vertreibt über ihren Onlineshop Parfüms und Kosmetikprodukte, darunter mit den Klagemarken gekennzeichnete Originalware. Die Beklagte ist keine autorisierte Händlerin der Markeninhaberin. Sie verschickte im September 2014 an einen Käufer bestellte Ware in einem Karton, auf dem neben anderen Marken auch die Klagemarken aufgedruckt waren. Eine der anderen Marken war falsch geschrieben („Gautier“ statt „Gaultier“). Auf dem Karton waren außerdem ein Gefahrgutzeichen und der Werbespruch „beauty for less“ aufgedruckt.
Die Klägerin sieht die Verwendung der Klagemarken auf den Versandkartons als markenverletzend an, weil deren Verwendung in einer deren Image als Luxusmarken nicht entsprechenden Weise erfolge.
Mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, in der Europäischen Gemeinschaft Parfüms und Kosmetikprodukte in Kartons zu versenden, die auf der Innen- oder Außenseite mit den Zeichen „JOOP!“ oder „DAVIDOFF“ bedruckt sind.
Aus den Gründen:
Nachfolgend wird im Schwerpunkt der Aspekt der Erschöpfung des Markenrechts beleuchtet. Die weiteren Aspekte treten bei der folgenden Betrachtung in den Hintergrund.
Der I. Senat stellte zunächst fest, dass die Klägerin die Unterlassungsansprüche auf Wiederholungsgefahr stütze. Solchenfalls sei die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig sei (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. November 2017 – I ZR 160/16 , GRUR 2018, 541 Rn. 12 = WRP 2018, 429 – Knochenzement II, mwN). Die Erschöpfung der Markenrechte und die Aktivlegitimation der Klägerin seien nach Art. 13 und 22 GMV sowie den wortgleichen Regelungen in Art. 15 und 25 UMV zu beurteilen.
Nach Art. 15 Abs. 1 UMV ( Art. 13 Abs. 1 GMV ) gewähre die Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von dem Inhaber oder mit dessen Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Die Erschöpfung tritt vorbehaltlich des Art. 15 Abs. 2 UMV ( Art. 13 Abs. 2 GMV ) hinsichtlich aller Handlungen ein, die nach Art. 9 Abs. 3 UMV ( Art. 9 Abs. 2 GMV ) eine Verletzung der Marke darstellen können. Sie erfasse insbesondere das so genannte Ankündigungsrecht, weshalb Waren, die mit einer Marke gekennzeichnet sind, bei ihrem Weitervertrieb durch Dritte grundsätzlich unter ihrer Marke beworben werden können (vgl. zu Art. 7 der Richtlinie 89/104/EWG EuGH, Urteil vom 4. November 1997 – C-337/95 , Slg. 1997, I-6013 = GRUR Int. 1998, 140 Rn. 36 f. – Dior/Evora; Urteil vom 23. Februar 1999 – C-63/97 , Slg. 1999, I-905 = GRUR Int. 1999, 438 Rn. 48 – BMW/Deenik; Urteil vom 8. Juli 2010 – C-558/08, Slg. 2010, I-6963 = GRUR 2010, 841 [EuGH 08.07.2010 – Rs. C-558/08] Rn. 77 – Portakabin/Primakabin; vgl. zu § 24MarkenG BGH, Urteil vom 7. November 2002 – I ZR 202/00 , GRUR 2003, 340, 341 [juris Rn. 33] = WRP 2003, 534 – Mitsubishi; Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 256/00 , GRUR 2003, 878, 879 [juris Rn. 20] = WRP 2003, 1231 – Vier Ringe über Audi; Urteil vom 8. Februar 2007 – I ZR 77/04 , GRUR 2007, 784 Rn. 20 = WRP 2007, 1095 – AIDOL).
Aus der Beschränkung des Rechts aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV ( Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV ) auf die Benutzung „für Waren“ folge, dass die Marke auch im Falle der Erschöpfung in der Werbung nur „für Waren“ verwendet werden darf (Eisenführ/Eberhardt in Eisenführ/Schennen, UMV, 5. Aufl., Art. 13 Rn. 9; BeckOK.UMV/Müller, Stand 28. Mai 2018, Art. 15 Rn. 5; Thiering in Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl. § 24 Rn. 66). Erforderlich sei eine konkrete Bezugnahme auf Originalprodukte. Daran fehlt es, wenn die Werbung entweder nicht produktbezogen, sondern unternehmensbezogen erfolge oder sich auf andere Produkte als Originalprodukte beziehe (BGH, GRUR 2007, 784 [BGH 08.02.2007 – I ZR 77/04] Rn. 21 – AIDOL, mwN). Maßgeblich sei insoweit, wie der Verkehr die Benutzung des fremden Kennzeichens wahrnehme (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 24 Rn. 51; Jacobs, GRUR 2011, 1069, 1072).
Unternehmensbezogen sei eine Werbung jedenfalls, wenn sie aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise das Unternehmen von anderen Unternehmen abgrenzt oder sich ausschließlich auf dessen Leistungsvermögen beziehe. Dagegen weise das Kennzeichen einen Warenbezug auf, wenn der angesprochene Verkehr die Benutzung des Kennzeichens zumindest auch als Unterscheidungszeichen für Waren ansieht. Das ist dann der Fall, wenn das Zeichen als Herkunftshinweis für ein beworbenes Produkt verstanden werde (vgl. zur rechtserhaltenden Benutzung BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 – I ZR 293/02 , GRUR 2005, 1047, 1049 [juris Rn. 18] = WRP 2005, 1527 – OTTO, mwN).
Dass bei dem Aufdruck einer Mehrzahl von Marken auf dem Versandkarton mit der Werbung für konkrete Produkte – gleichermaßen als positiver Reflex – auch eine Werbung für das Unternehmen der Beklagten im Hinblick auf dessen Sortimentsbreite einhergehen mag, ändere nichts am bestehenden Warenbezug.
Dem Erschöpfungseinwand stehe nicht entgegen, dass die Marke nicht für ein konkretes Warenstück oder zumindest ein bestimmtes Produkt verwendet werde. Mit der Anforderung einer Bezugnahme auf konkrete Originalprodukte sei keine Werbung für konkrete Warenstücke gemeint (vgl. BGH, GRUR 2003, 878, 879 f. [BGH 17.07.2003 – I ZR 256/00] [juris Rn. 21] – Vier Ringe über Audi). Vielmehr müsse der Werbende nur tatsächlich Waren des Markeninhabers vertreiben und der Verkehr muss angesichts der Werbung davon ausgehen, dass der Verkäufer Originalprodukte in seinem Sortiment führe und veräußere.
Der Inhaber des Markenrechts könne sich nach Art. 15 Abs. 2 UMV ( Art. 13 Abs. 2 GMV ) dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzen, wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Ein solcher berechtigter Grund lege vor, wenn durch die konkrete Verwendung die Herkunfts- und Garantiefunktion seines Zeichens verletzt oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (vgl. zu Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG EuGH, GRUR Int. 1999, 438 Rn. 51 f. – BMW/Deenik; GRUR 2010, 841 [EuGH 08.07.2010 – Rs. C-558/08] Rn. 79 f. – Portakabin/Primakabin; BGH, Urteil vom 3. November 2005 – I ZR 29/03, GRUR 2006, 329 Rn. 28 = WRP 2006, 470 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem; Urteil vom 15. Februar 2007 – I ZR 63/04 , GRUR 2007, 882 Rn. 22 = WRP 2007, 1197 – Parfümtester; Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 6/10 , GRUR 2012, 392 Rn. 19 = WRP 2012, 469 – Echtheitszertifikat, jeweils mwN).
Erforderlich sei insoweit eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Markeninhabers und des Wiederverkäufers, wobei auf der Seite des Markeninhabers dessen Interesse zu berücksichtigen sei, gegen Wiederverkäufer geschützt zu sein, die seine Marke in rufschädigender Weise nutzen, während auf der Seite des Wiederverkäufers dessen Interesse zu beachten ist, die betreffende Ware unter Verwendung einer für seine Branche üblichen Werbeform weiterveräußern zu können (vgl. EuGH, GRUR Int. 1998, 140 Rn. 43 ff. – Dior/Evora; BGH, GRUR 2006, 329 Rn. 31 – Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem).
Kommentar / Fazit:
In dem vorliegenden Urteil wurden die Regelungen des Markenrechts für Erschöpfung im Falle von Weiterverkäufern, die keine offiziellen Importeure und Händler des Markeninhabers sind, bestätigt.
Für diese Personengruppe wurde die Erschöpfung bestätigt, wenn diese die abgebildeten Marken zum einen nicht rufschädigend nutzen und zum anderen die mit den Marken geschützten Waren auch anbieten.
Hierbei ist auf das Verständnis der Verkehrskreise abzustellen.