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BGH: I ZB 52/15 – Sparkassen-Rot

Der I. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss I ZB 52/15 – Sparkassen-Rot vom 21. Juli 2016 mit den Anforderung an demoskopische Gutachten auseinander gesetzt, mit welchen ein Kennzeichnungsgrad einer Marke versucht wird nachzuweisen. Vorab hatte des Bundespatentgericht an den Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Vorlage gestellt.

Die Antwort des Gerichtshof der Europäischen Union interpretierte der I. Senat in folgenden Leitsätzen:

a) Im Rahmen einer Befragung zur Erstellung eines demoskopischen Gutachtens zur Verkehrsdurchsetzung ist mit der Eingangsfrage zu ermitteln, ob der Befragte das in Rede stehende Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen schon einmal wahrgenommen hat. Erst im Anschluss daran kann bei dem Personenkreis, der das Zeichen kennt, nachgefragt werden, ob er es als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen sieht. Dabei darf die Eingangsfrage den herkunftshinweisenden Charakter des Zeichens nicht bereits suggerieren.
b) Steht fest, dass mehrere Dienstleistungen unterschiedlicher Art typischerweise von einem einzigen Unternehmen erbracht werden (hier: Bankdienstleistungen für Privatkunden) und der angesprochene Verkehr erwartet, wenn er die wichtigste dieser Dienstleistungen in Anspruch nimmt (hier: Führung eines Girokontos), dass das Unternehmen auf Anfrage weitere Dienstleistungen (hier: Ausgabe von Debit- und Kreditkarten, Kredite, Geldanlagen usw.) anbietet, kann dieses Dienstleistungsbündel Gegenstand einer einzigen Befragung zur Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens sein, das hierfür Geltung beansprucht.
c) Ein demoskopisches Gutachten kann den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung erbringen, wenn es keine grundlegenden methodischen Mängel aufweist und nach Abschlägen einen Kennzeichnungsgrad von über 50% ergibt.
d) Ein demoskopisches Gutachten ist nicht geeignet, die Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens zu widerlegen, wenn auf sein Ergebnis wegen methodischer Mängel Aufschläge gemacht werden müssen, die dazu führen, dass für das in Frage stehende Zeichen ein Kennzeichnungsgrad von über 50% erreicht wird.
e) Ebenso wie größere Zeiträume zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens regelmäßig die Annahme ausschließen, das Gutachtenergebnis könne auf den Anmeldetag zurückbezogen werden, stehen größere Zeiträume zwischen der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens und der Entscheidung über den Löschungsantrag im Regelfall dessen Verwertung im Rahmen der Prüfung einer Verkehrsdurchsetzung im Entscheidungszeitpunkt entgegen.

Die Historie:

Die Markeninhaberin hatte eine als Kollektivmarke angemeldete unterscheidungsschwache (also eigentlich nicht eintragungsfähige) abstrakte Farbmarke Nr. 30211120 „Rot“ (HKS 13) am 11. Juli 2007 mittels Verkehrsdurchsetzung vor dem Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen bekommen. Hierfür legte die Markeninhaberin ein demoskopisches Gutachten der IPSOS GmbH vom 24. Januar 2006 vor.

Die Antragstellerinnen hatte beim Deutschen Patent- und Markenamt am 19. und 22. Oktober 2009 die Löschung der Marke beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 24. April 2012 zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerinnen Beschwerde vor dem Bundespatentgericht eingelegt.

Das Bundespatentgericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Markenrichtlinie vorgelegt, insbesondere darüber, ob die deutschen nationalen Vorschriften oder die deutschen Auslegungen hiervon abweichen. Der EugH entschied unter anderem durch Urteil vom 19. Juni 2014, dass ein Zuordnungsgrad von mindestens 70% bei einer Verbraucherbefragung der Auslegung der Markenrichtlinie entgegensteht.

Das Bundespatentgericht hat die Löschung der Klagemarke angeordnet. Hiergegen wendet sich der Markeninhaber mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof.

Aus den Gründen:

Im Folgenden werden Aspekte aus der Begründung zitiert, die im Zusammenhang mit desmoskopischen Gutachten und den Anforderungen an diese befassen.

Der I. Senat des BGH ist der Meinung, dass das Bundespatentgericht ohne Rechtsfehler angenommen habe, das angegriffene Zeichen verfüge von Haus aus nicht über die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft.

Der I. Senat führt dazu aus, dass die Eintragung einer Marke zu löschen sei, wenn ihr im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, jegliche Unterscheidungskraft fehle. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründe, sei ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, um dieses Schutzhindernis zu überwinden.

Diese Grundsätze fänden bei allen Markenformen Anwendung, auch bei Farbmarken. Bei Farbmarken sei jedoch zu beachten, dass diese von den Verbrauchern nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie eine herkömmliche Wort oder Bildmarke. In der Farbe sehen die Verbraucher häufig keinen Herkunftshinweis, sondern eine bloße Gestaltung des Produkt.

Danach sei davon auszugehen, dass abstrakten Farbmarken die erforderliche Unterscheidungskraft im Allgemeinen fehlt.

Bei der Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf der Ware oder deren Verpackung könne nur ausnahmsweise von einer markenmäßigen Verwendung ausgegangen werden. Die angesprochenen Verkehrskreise seien es in vielen Produktbereichen nicht gewohnt, der Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf einer Warenverpackung ohne Hinzutreten von grafischen Elementen oder Wortelementen einen Herkunftshinweis zu entnehmen, weil eine Farbe als solche in der Regel nicht zur Kennzeichnung der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, sondern nur als Gestaltungsmittel verwendet wird. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz komme aber in Betracht, wenn der Verkehr auf Grund von Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warengebiet oder Dienstleistungssektor an die Verwendung von Farben als Kennzeichnungsmittel gewöhnt sei oder wenn die Farbe im Rahmen aller sonstigen Elemente in einer Weise hervortrete, dass die angesprochenen Verkehrskreise sie als Produktkennzeichen verstehen. Für Dienstleistungen und darauf bezogene Farbmarken gelte nichts anderes.

Das Bundespatentgericht habe trotz seiner geäußerten Bedenken letztlich zugunsten des Markeninhabers eine markenmäßige Benutzung der roten Farbe unterstellt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren sei deshalb hiervon auszugehen.

Die Frage, ob eine Marke sich infolge ihrer Benutzung in den beteiligten Verkehrskreisen infolge ihrer Benutzung für die Waren und Dienstleistungen durchgesetzt habe, sei auf Grund einer Gesamtschau der Gesichtspunkte zu beurteilen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die in Rede stehende Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware damit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden. Zu berücksichtigen seien der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung, die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern und von anderen Berufsverbänden.

Wenn die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung besondere Schwierigkeiten aufwirft, verbiete es das Unionsrecht nicht, die Frage der Unterscheidungskraft der Marke durch eine Verbraucherbefragung klären zu lassen, die häufig das zuverlässigste Beweismittel zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung ist.

Wird der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung einer an sich schutzunfähigen Marke auf ein demoskopisches Gutachten gestützt, muss sich hieraus ergeben, dass sich das Zeichen infolge seiner Benutzung für die Waren und Dienstleistungen, für die es angemeldet ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat. Dementsprechend sehe die vom Deutschen Patent- und Markenamt aufgestellte Richtlinie vor, dass mit der Eingangsfrage zu ermitteln sei, ob der Befragte das in Rede stehende Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen schon einmal wahrgenommen habe. Erst im Anschluss daran kann bei dem Personenkreis, der das Zeichen kennt, nachgefragt werden, ob er es als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen sehe.

Vorliegend wurden auch die Befragten zum Zuordnungsgrad mitgerechnet, die zwar in der Farbgebung keinen Herkunftshinweis gesehen haben, aber bei der weiteren Befragung das Unternehmen erraten hatten.

Die vom Markeninhaber beanspruchten Dienstleistungen können Gegenstand einer einzigen Befragung sein und müssen nicht in einzelne Dienstleistungen aufgespalten werden. Die Durchsetzung des angemeldeten Zeichens als Marke im Verkehr muss für alle diejenigen Waren und Dienstleistungen nachgewiesen sein, für die die Eintragung des Zeichens als Marke begehrt wird.

Zur Frage, wann ein Gutachten eingebracht werden könne, stellte der BGH klar, dass größere Zeiträume zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens grundsätzlich die Annahme ausschlössen, das Gutachtenergebnis könne auf den Anmeldetag bezogen werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob das Schutzhindernis auch noch zur Zeit der Entscheidung über den Löschungsantrag bestehe, sei der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht. Wird im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht eine mündliche Verhandlung angeordnet, so ist aufgrund der Sachlage zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Kommentar / Fazit:

Das vorliegende Urteil des BGH geht auf zwei wesentliche Aspekte des Markenrechts ein. Der eine ist die Eignung vom Farbmarken als Herkunftshinweis, der andere die Anforderung an ein demoskopisches Gutachten.

Bei der markenmäßigen Verwendung einer bestimmten Farbe oder einer Farbkombination, ist diese zunächst einheitlich zu verwenden. Hierbei ist auch stets auf exakt die gleiche Farbe zurückzugreifen und von einer Variation von helleren oder dunkleren Farbtönen abzusehen.

Bei größeren Unternehmen ist hier ein einheitliches Corporate Design zweckmäßig. Dieses sollte keiner jährlichen Veränderung, zumindest in der Farbgebung, unterliegen und der angemeldeten Farbmarke entsprechen.

Für die Durchführung demoskopischer Gutachten hat das Deutsche Patent- und Markenamt einen Leitfaden herausgegeben, der derzeit überarbeitet wird (https://www.dpma.de/docs/service/formulare/marke/w7735.pdf). Die darin enthaltene untere Grenze von 50 % Verkehrsdurchsetzung wurde durch den EuGH und im obigen Urteil durch den BGH bestätigt.

Die Fragen des demoskopischen Gutachtens sollten sich an dem Leitfaden des DPMA orientieren, um nicht als nicht verwertbar beurteilt zu werden.

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