BGH: X ZR 11/13 – Fugenband
„Was unklar ist, soll unklar bleiben dürfen (zumindest im Falle einer Selbstbeschränkung)“ & „Mitgehangen ist Mitgefangen“
So entschied der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.10.2015 (X ZR 11/13).
Der Sachverhalt in aller Kürze:
Die Beklagte ist Inhaberin des am 25. Januar 1997 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 3. Februar 1996 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 792 973 (Streitpatents), das in der im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt erhaltenen Fassung ein kalt verarbeitbares Fugenband betrifft und sieben Patentansprüche umfasst, von denen die Ansprüche 1, 2 und 7 angegriffen sind.
Mehrer Klägerinnen hatte geltend gemacht, der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei, ebenso wie derjenige des Anspruchs 2, nicht patentfähig. Mit Patentanspruch 7 werde zudem ein Gegenstand beansprucht, der nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Die Beklagte beschränkte Ihr Patent im Zuge des Nichtigkeitsverfahren. Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen legte eine Klägerin Berufung beim BGH ein.
Entscheidung und Gründe (auszugsweise):
Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren ist eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.
Der BGH führt hierzu in den Entscheidungsgründen aus:
„Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren ist zu untersuchen, ob die beabsichtigte Selbstbeschränkung unzulässig ist, etwa weil der so definierte Gegenstand über die ursprüngliche Offenbarung hinausginge oder den Schutzbereich des Patents erweiterte. Ein Prüfungskriterium für die Zulässigkeit in den Patentanspruch aufgenommener Merkmale und Begriffe kann zudem sein, ob der Anspruch durch deren Aufnahme hinreichend deutlich und klar gefasst wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 29 – Elektronenstrahltherapiesystem). Dies folgt aus Art. 84 Satz 2 EPÜ; für das nationale Recht ergibt sich dieses Erfordernis aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 Abs. 6 PatV.
Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist jedoch weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Der Patentinhaber hat mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, mithin wenn ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise aberkannt werden kann. Das Europäische Patentübereinkommen regelt ebenso wie das nationale Recht die Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe, zu denen die fehlende Klarheit nicht gehört, abschließend (Art. 100, 138 EPÜ; §§ 21, 22 PatG). Daraus folgt, dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 – G 3/14).“
Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO .
Hierzu führte der BGH aus:
„Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO. Die Entscheidung über die Nichtigerklärung eines Patents ergeht durch Gestaltungsurteil; sie muss einheitlich ergehen, da das klagestattgebende Nichtigkeitsurteil Wirkungen gegenüber jedem der Kläger entfaltet (vgl. zur aktienrechtlichen Anfechtungsklage BGH, Urteil vom 5. April 1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 213, 240). Darüber hinaus hat eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents gemäß Art. 68 EPÜ oder §§ 22 Abs. 2, 21 Abs. 3 PatG Gestaltungswirkung gegenüber jedermann dahingehend, dass die Wirkungen des Patents in dem Umfang der Nichtigerklärung als von Anfang an nicht eingetreten gelten.
Die notwendige Streitgenossenschaft hat zur Folge, dass die Klägerin zu 2 weiter am Verfahren beteiligt ist, auch wenn sie das Urteil des Patentgerichts nicht mit der Berufung angefochten hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – X ZR 94/10, BGHZ 192, 245 Rn. 22 – Tintenpatrone II). Die geänderte Entscheidung über die Kosten 1. Instanz betrifft demzufolge auch die Klägerin zu 2.“