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BPatG: 7 W (pat) 31/15 – Gerät zur Entfernung von Haaren mit Laserstrahlen

Der 7. Senat des Bundespatentgerichts hat sich in seinem Beschluss 7 W (pat) 31/15 vom 24.03.2016 der Frage gewidmet, in welchen Fällen eine Rücknahmeerklärung angefechtet werden kann.

Er verfasste hierzu folgenden Leitsatz:

 Der Wirksamkeit der Rücknahme einer Patentanmeldung steht nicht entgegen, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders bereits unterzeichnete Erklärung von einer Bürokraft versehentlich zu einem Zeitpunkt abgesandt wurde, zu dem noch keine Freigabe des Mandanten vorlag. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verfahrensbevollmächtigte nicht durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge trägt, dass die Erklärung nicht ohne seinen Willen nach außen gelangen kann.

Die Historie:

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin reichte beim Deutschen Patent- und Markenamt am 21. Juli 2014 eine Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2014 010 619.5 ein. Diese betrifft ein „Gerät zur Entfernung von Haaren mit Laserstrahlen“. Nachdem das Patentamt im Rahmen des Rechercheberichts mitgeteilt hatte, dass es die Anmeldung vorläufig für nicht schutzfähig erachte, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders in einer am 2. März 2015 per Telefax beim Patentamt eingegangenen Eingabe vom 27. Februar 2015 auf die Patentanmeldung „verzichtet“

Am 3. März 2015 ist beim Patentamt per Telefax ein weiteres Schreiben eingegangen, in welchem der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders darum gebeten hat, die mit Schreiben vom 27. Februar 2015 eingereichte Erklärung als gegenstandslos zu betrachten. Diesem Ersuchen hat das Patentamt mit Schreiben vom 12. März 2015 widersprochen. Daraufhin hat der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders mit Eingabe vom 23. März 2015, die beim Patentamt am selben Tag eingegangen ist, die Anfechtung der Rücknahmeerklärung vom 27. Februar 2015 wegen Irrtums mit der Begründung erklärt, jenes Telefax vom 27. Februar 2015 sei von seinem Sekretariat versehentlich zu einem Zeitpunkt abgesandt worden, zu dem noch keine Freigabe des Mandanten vorgelegen habe. Diese Freigabe hätte abgewartet werden sollen.

Schließlich hat die Prüfungsstelle am 7. Juli 2015 einen Beschluss des Inhalts erlassen, dass der Anfechtung der Zurücknahmeerklärung nicht stattgegeben werde, und dass die Patentanmeldung als zurückgenommen und das Erteilungsverfahren als beendet zu gelten hätten. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

Aus den Gründen:

Der 7. Senat des BPatG stellte zunächst fest, dass die Rücknahmeerklärung in formeller Hinsicht wirksam sei. Dem stünde nicht entgegen, dass sie ausschließlich durch ein per Telefax an das Patentamt übermitteltes Schreiben erklärt wurde.

Die Rücknahme der Patentanmeldung könne hier deshalb wirksam per Telefax erklärt werden, weil es sich bei ihr um eine im Erteilungsverfahren gegenüber dem Patentamt abgegebene Rechtshandlung prozessualer Art gehandelt habe. Gemäß § 11 Abs. 1 DPMAV kann das unterschriebene Original auch durch Telefax übermittelt werden, wobei das Patentamt gemäß § 11 Abs. 2 DPMAV bei begründeten Zweifeln an der Vollständigkeit der Übermittlung, an der Übereinstimmung mit dem Original oder bei Wiedergabemängeln auch die Wiederholung der Übermittlung oder die Einreichung des Originals verlangen kann.

Der 7. Senat verwies zwar auf die materiell-rechtliche Wirkungen der Rücknahme, weshalb ihr eine Doppelnatur zukommt, dieses rechtfertige aber keine andere Beurteilung. Zwar verlange § 126 BGB für Willenserklärungen, die der Schriftform bedürfen, dass deren Empfänger eine Urkunde mit eigenhändiger Unterschrift des Ausstellers zugeht und eine Übermittlung per Telefax nicht genüge; die Heranziehung von § 126 BGB erschiene jedoch trotz der Doppelnatur der Rücknahmeerklärung als nicht geboten.

Denn die Rücknahme wird ausschließlich gegenüber der jeweiligen Verfahrensinstanz erklärt, weshalb es auch gerechtfertigt sei, für die Wirksamkeit der Erklärung allein diejenigen Maßstäbe anzuwenden, die im Rahmen des jeweiligen Verfahrens gelten (d. h. vorliegend § 11 DPMAV). Zur Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung bedurfte es – da keine Zweifel i. S. d. § 11 Abs. 2 DPMAV vorhanden waren – weder einer Bestätigung der Faxübermittlung auf traditionellem Weg noch der Einreichung des Originals des Rücknahmeschriftsatzes.

Das Telefax mit der Rücknahmeerklärung habe das Patentamt ordnungsgemäß erreicht. Ein hiervon abweichender Geschehensablauf sei weder dargetan noch ersichtlich, denn der Anmelder habe auf den Hinweis des Senats vom 14. Dezember 2015 seinen Vortrag zum kanzleiinternen Geschehensablauf, der am 2. März 2015 zur Versendung der Eingabe vom 27. Februar 2015 führte, weder konkretisiert noch glaubhaft gemacht.

Der Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte die Absendung der Rücknahmeerklärung zu diesem Zeitpunkt nicht gewollt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Willenserklärungen seien nach der Rechtsprechung selbst bei fehlendem Erklärungsbewusstsein – und ebenso bei unabsichtlichem Inverkehrbringen – als wirksam anzusehen, sofern der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie, wie hier das Patentamt, auch tatsächlich so verstanden hat.

Ferner genüge eine Berufung auf eine nicht näher bezeichnete Weisung nicht. Dazu, welcher Bürokraft der Bevollmächtigte zu welchem Zeitpunkt welche Weisung erteilt hatte, habe der Anmelder nichts ausgeführt. Er habe auch nicht dargelegt, welche organisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden, um sicherzustellen, dass das von dem Bevollmächtigten unterzeichnete Schreiben nicht an das Patentamt gelangen konnte, und auf welche Weise das unterzeichnete Schreiben kanzleiintern verwahrt wurde. Damit sei offen geblieben, welcher Person letztlich welches Versehen unterlaufen sein soll, als die Rücknahmeerklärung dem Patentamt per Telefax übermittelt wurde. Für diesen allein im Einflussbereich des Bevollmächtigten liegenden Geschehensablauf trägt der Anmelder die Feststellungslast, so dass es beim Fahrlässigkeitsvorwurf im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB verbleibt. Diesen muss sich der Anmelder entsprechend § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Schließlich sei die Anfechtung auch nicht rechtzeitg erfolgt. Um Wirkung zu entfalten, sei die Erklärung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern i. S. d. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB abzugeben. Insoweit betrage die von der Rechtsprechung gewöhnlich in Irrtumsfällen zuerkannte Überlegungs- und Erklärungsfrist zwei Wochen i. S. einer Obergrenze. Diese Obergrenze sei mit der Anfechtungserklärung vom 23. März 2015 deutlich überschritten.  Denn vom Zugang der Rücknahmeerklärung beim Patentamt habe der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders nach eigenem Vortrag bereits am 3. März 2015, also knapp drei Wochen vor Erklärung der Anfechtung Kenntnis gehabt. Der Anmelder müsse sich die Kenntnis seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen, § 166 Abs. 1 BGB. Demgegenüber könne das Schreiben vom 3. März 2015, in dem gebeten wird, die Rücknahmeerklärung als gegenstandslos zu betrachten, nicht als Anfechtungserklärung angesehen werden, da ihm nicht zu entnehmen sei, dass hier eine Anfechtung wegen Willensmängeln erfolgen soll.

Kommentar / Fazit:

Rechtsanwälte und Patentanwälte handeln vertretungsberechtigt vor den Ämtern und Gerichten. Bei Verfahren vor dem Patentamt wird keine Vollmacht eingefordert, sondern als vorliegend vermutet, wenn ein Patentanwalt oder Rechtsanwalt eine Vertretung anzeigt. Die Vetreter haben, wie die durch diese vertretenen, im Verkehr die erforderlichen Sorgfalt walten zu lassen.

Diese Sorgfalt umfasst die Abstimmung und Klärung mit dem Mandanten, bevor Verfahrenshandlungen ausgeführt werden. Ist noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden, sollten auch noch keine einreichungsfertigen Anträge ausgefertigt werden. Das heißt:

  • Erklärungen sind vor Entscheidung nicht zu unterzeichnen oder aber
  • bereits unterzeichnete Erklärungen sind nicht ohne Willen des Anwalts nach außen zu geben

Natürlich ist das „Nicht-Unterzeichnen“ vorzuziehen, weil es leichter zu kontrollieren ist. Denken wir aber an eine urlaubs- oder gerichtsterminbedingte Abwesenheit des Anwalts für einen längeren Zeitraum, kann ein Vorbereiten von einreichungsfertigen Unterlagen in zeitkritischen Fällen notwendig sein. Hier ist aber dann eine enge Abstimmung und eine explizite Freigabe durch den Anwalt angeraten.

Bei einer Substantiierung reichen keine allgemeinen Aussagen, insbesondere genügt keine Berufung auf eine nicht näher bezeichnete Weisung. Es ist auszuführen:

  • welcher Bürokraft der Bevollmächtigte zu welchem Zeitpunkt welche Weisung erteilt hat
  • welche organisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden, um sicherzustellen, dass das von dem Bevollmächtigten unterzeichnete Schreiben nicht an das Patentamt gelangen konnte und
  • auf welche Weise das unterzeichnete Schreiben kanzleiintern verwahrt wurde.

Schließlich muß eine Anfechtung rechtzeitg erfolgen. Diese ist unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern i. S. d. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB abzugeben, um Wirkung zu entfalten. Hierbei wird in Irrtumsfällen eine  Überlegungs- und Erklärungsfrist von zwei Wochen zuerkannt.

 

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