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BGH: I ZR 202/14 – Wetter.de

Der I. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Beschluss I ZR 202/14 – Wetter.de vom 31.03.2016 unter anderem der Frage gewidmet, in welchen Fällen Werktitelschutz für eine App und eine Internetseite gilt, insbesondere in Hinblick auf die Anforderungen an eine hinreichen originäre Unterscheidungskraft.

Er entschied hierzu:

a) Titelschutzfähige Werke im Sinne von § 5 Abs. 3 MarkenG können auch Apps für Mobilgeräte sowie Informationsangebote im Internet sein.

b) Der Bezeichnung "wetter.de" kommt keine für einen Werktitelschutz nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 MarkenG hinreichende originäre Unterscheidungskraft für eine App und eine Internetseite zu, auf der ortsspezifisch aufbereitete Wetterdaten und weitere Informationen in Bezug auf das Thema Wetter zum Abruf bereitgehalten werden.

c) Die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Zeitungs- und Zeitschriftentitel geltenden geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werktiteln können auf Apps für Mobilgeräte und auf Internetangebote, die nicht auch als Printversion erhältlich sind, nicht angewendet werden, weil es (bislang) an einer entsprechenden Verkehrsgewöhnung an die Benutzung von Gattungsbezeichnungen in diesen Bereichen fehlt. .

Die Historie:

Die Klägerin betreibt unter dem Domainnamen „wetter.de“ eine Internetseite, auf der sie ortsspezifisch aufbereitete Wetterdaten und weitere Informationen in Bezug auf das Thema Wetter zum Abruf bereithält. Seit 2009 bietet sie entsprechende Informationen auch über eine Applikation (nachfolgend „App“) für Mobilgeräte (Smartphones und Tablet-Computer) unter der Bezeichnung „wetter.de“ an. Die App wird direkt mit dem Mobilgerät in dem vom Betreiber des jeweiligen Betriebssystems angebotenen Online-Shop erworben und auf das Gerät geladen

Die Beklagte ist Inhaberin der Domainnamen „wetter.at“ und „wetterdeutschland.com“, unter denen sie im Internet ebenfalls Wetterdaten zur Verfügung stellt. Seit Ende 2011 betreibt sie zudem eine App mit entsprechenden Inhalten unter den Bezeichnungen „wetter DE“, „wetter-de“ und „wetter-DE“.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, die Bezeichnung „wetter.de“ sei wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht titelschutzfähig. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, soweit sie auf Werktitelrecht gestützt sind.

Aus den Gründen:

Im Folgenden werden die Entscheidungsgründe kurz skizziert. Hierbei liegt in diesem Artikel der Fokus auf der Beurteilung des Werkschutzes in Hinblick auf die Unterscheidungskraft.

Der I. Senat stellte fest, dass Werktitel schützbar sind. Schutzfähige Werktitel seien die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Dabei gelte ein gegenüber dem Urheberrecht eigenständiger kennzeichenrechtlicher Werkbegriff. Werke im kennzeichenrechtlichen Sinne seien alle immateriellen Arbeitsergebnisse, die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind.

Eine App stelle ein Anwendungsprogramm für Mobilgeräte dar. Ebenso wie Computerprogramme auf herkömmlichen stationären oder mobilen Computern beinhaltet eine auf mobilen Kommunikationsgeräten installierte App eine schutzfähige immaterielle Leistung, die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sei.

Der I. Senat definierte die Unterscheidungskraft als Eignung eines Titels, ein Werk als solches zu individualisieren und von einem anderen zu unterscheiden. Sie fehle, wenn sich der Titel nach Wortwahl, Gestaltung und vom Verkehr zugemessener Bedeutung in einer werkbezogenen Inhaltsbeschreibung erschöpfe.

Maßgeblich für die Frage, ob ein Werktitel von Haus aus unterscheidungskräftig ist, sei die Verkehrsauffassung.

Der Bezeichnung „wetter.de“ fehle sowohl als Domainname als auch im Zusammenhang mit seiner Benutzung für die App der Klägerin die originäre Kennzeichnungskraft. Der Begriff „Wetter“ sei für Informationen und Dienstleistungen zum Thema „Wetter“ rein beschreibend und allgemein freihaltebedürftig. Der Zusatz „.de“ sei ebenfalls nicht individualisierend. In Bezug auf Domainnamen im Internet verstehe der Verkehr darunter eine als Top-Level-Domain angehängte bloße Länderzuweisung bezogen auf Deutschland.

Die Bezeichnung „wetter.de“ genieße ferner auch keinen Werktitelschutz unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsgeltung. Dementsprechend wird angenommen, dass eine Verkehrsdurchsetzung von glatt beschreibenden Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG anhand eines Meinungsforschungsgutachtens nur angenommen werden kann, wenn ein Zuordnungsgrad von mindestens 50% erreicht wird. Dieser wurde nicht nachgewiesen.

 

Kommentar / Fazit:

Printmedien und Radiosendungen wird eine gewisse Gewöhnung an in hohem Maße beschreibende Titel zugestanden, weshalb bei diesen die Anforderung an die Unterscheidungskraft nicht hoch sind. Anders ist es (derzeit) noch bei Domainnamen und Apps.

Bei Domainnamen kommen ähnlich wie bei Zeitungen und Zeitschriften bereits eine gewisse Gewöhnung an in hohem Maße beschreibende Titel in Betracht, allerdings nur, wenn diese auch als Printversion erhältliche sind

Zur Überwindung von Unterscheidungskraft, insbesondere bei kennzeichnungsschwachen Zeichen, bietet sich immer der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung an.

 

 

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